Verlust
Janine erzählt:
Mir tat Marcs Verhalten total weh. Von einem Moment auf den anderen gab er mir zu spüren, dass ich ihm doch nicht mehr so wichtig war, wie es bisher eigentlich der Fall war. Ich verstand vor allem nicht, warum er mich so behandelte!
Ich glaubte, dass er mich für irgendetwas bestrafen wollte, ich wusste nur nicht genau, wofür. Dieser Sturkopf sagte es mir aber auch einfach nicht! Meine einzige Vermutung als Auslöser war, dass ich ihm sagte, dass ich über einen festen Freund noch nicht nachgedacht hatte und ich daher seine Gefühle, die er für mich hatte, nicht vollumfänglich teilte. Offenbar hatte ich ihn damit sehr getroffen, was aber gar nicht meine Absicht war. Ich wollte mit ihm genauso wie bisher Zeit verbringen, weil es doch an unserer Verbindung nichts änderte. In den Wochen nach seiner ehrlichen Aussage spürte ich aber trotzdem, dass er offenbar ein wenig mehr Distanz wollte, die ich ihm gewährte. Ich konnte schon verstehen, dass es ihm weh tat. Gerade, nachdem er seine Eltern verloren hatte und noch eine Abweisung von mir erhielt. Was ich Marc vor allem klar machen wollte, war, dass ich allgemein über einen festen Freund noch nicht nachgedacht hatte. Eine Beziehung hatte mich einfach noch nicht interessiert. Aber er schien das völlig falsch verstanden zu haben, zumindest vermutete ich das. Er hatte einfach nicht verstanden, dass ich ihn selbst als möglichen festen Freund gar nicht ausschloss. Es war viel eher so, dass er wohl die erste Person überhaupt sein würde, über die ich nachdenken würde, wenn ich für eine Beziehung so richtig bereit war. Umso mehr schmerzte es mich nun, dass unsere Verbindung vollständig zusammengebrochen war.
Als Marc sich von mir wegsetzte, nachdem wir den Streit hatten, wusste ich, dass es nun besonders schwer werden würde, einen Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten. Ich hatte mir gewünscht, dass er wenigstens einmal auf mich zugekommen wäre und sich für sein Verhalten entschuldigt hätte, aber er tat es nicht. Ich war dadurch oft umso trotziger, sodass wir seit dem Streit fast keine Worte mehr wechselten und ich auch nicht den ersten Schritt auf ihn zuging.
Durch den Konflikt mit ihm, aber besonders durch den Kontaktabbruch, zwang er mich auch dazu, zum ersten Mal wirklich darüber nachzudenken, wie viel ich für ihn empfand. Die Zeit, die wir verbrachten und so viel Nähe, die wir wie selbstverständlich hatten, war schon besonders. Ich fühlte mich bei ihm immer wohl, er war immer für mich da. Er ließ nachts extra wegen mir oft sein Smartphone immer mit Ton an, wenn ich wirklich schlecht träumte, sodass er mir antworten konnte. Er ging sogar mal nachts an das Handy, als ich anrief, weil es mir durch Albträume richtig schlecht ging. Vor allem spürte ich, dass es mir fehlte, wenn ich mich wie in der U-Bahn-Fahrt nach meinem Geburtstag einfach an ihn lehnen konnte und er mich oft in den Arm nahm… Ich hatte das alles als normal betrachtet, aber ich begann, zu verstehen, warum Marc sich Hoffnung auf mehr machte.
Vor allem hatten wir auch schon einige Male beieinander übernachtet und auch da hatten wir Nähe zueinander… Klar, ich hatte schon relativ früh gespürt, dass er mehr Interesse für mich haben musste. Ich hatte auch damit gerechnet, dass er mich irgendwann vor vollendete Tatsachen stellen würde, aber… Ich hatte es immer verdrängt und wollte die Zeit einfach mit ihm genießen, ohne mir darüber ernsthaft Gedanken machen zu müssen.
Einige Wochen vergingen und an dem Verhältnis von Marc und mir änderte sich nichts. Er kam von sich aus nicht auf mich zu, weil er einen Sturkopf hatte, den ich trotz allem irgendwie an ihm schätzte. Er setzte sich mit seinem Dickschädel einfach jedem zur Wehr, was mir besonders in inhaltlichen Diskussionen der Klasse auffiel. Wenn er fest von seinem Standpunkt überzeugt war, stand er dafür bis zum Ende ein und argumentierte auch so, dass man oft seinem Standpunkt letztlich folgte.
Als insgesamt drei Wochen vorüber waren und der Dezember vor der Tür stand, erhielt ich von meiner Mutter eine Schreckensnachricht, während ich in der Schule saß und ausnahmsweise auf mein Smartphone im Unterricht schaute: Papa war wieder im Krankenhaus, er war zu Hause zusammengebrochen! Ich war für wenige Minuten völlig fassungslos und bat meinen Klassenlehrer während der Stunde darum, ob ich ihn kurz für wenige Momente draußen vor der Tür sprechen konnte. Er war völlig verwundert, stimmte aber zu. Ich erklärte ihm draußen in wenigen Sätzen die Geschichte mit dem besiegten Krebs meines Vaters, dass er zusammengebrochen sei und im Krankenhaus liegen würde. Er sagte von sich aus sofort, dass es völlig in Ordnung sei, wenn ich nun gehen würde. Eine Entschuldigung würde ich ihm nicht bringen brauchen, er würde mich auch nicht als fehlend eintragen, was ich wirklich total lieb von ihm fand… Ich versuchte meine Tränen, so gut es ging, zurückhalten, stürmte in den Klassenraum zurück, in dem viele am Tuscheln waren und mich beobachteten. Beim Verlassen des Raumes sah ich einen sorgenvollen Blick in Marcs Gesicht, was mich in diesem Moment am meisten überraschte. War er vielleicht doch nicht mehr so zornig wie in den Wochen zuvor?
Als ich im Krankenhaus ankam, war Mama völlig aufgelöst und panisch, da ihr auch keiner der Pfleger oder Ärzte etwas sagen konnte. Sie wusste nur, dass Papa weiter untersucht werden würde, zumindest war das der letzte Stand vor einigen Stunden. Das hieß, dass Mama mir erst sehr spät Bescheid gegeben haben musste. Ich versuchte, sie irgendwie zu beruhigen, während mir selbst schon immer wieder die Tränen kamen, die ich aber versuchte, zurückzuhalten. Wir warteten noch einige Stunden und ich war nervlich schon völlig fertig, bis ein Arzt uns über alles aufklärte: Papa hatte wohl einen Schlaganfall! Als sie ihn dahingehend näher untersuchten, fanden sie heraus, dass Papa den Krebs nicht besiegt hatte – ein Tumor sei wohl unentdeckt geblieben in den letzten Untersuchungen! Dieser hatte gestreut und damit schon so viel Schaden angerichtet, dass sie nicht wussten, wie lange Papa noch leben würde und sie befürchteten, dass er womöglich nur noch wenige Wochen zu leben hatte… Außerdem wurde Papa wohl ein Teil des Lungenflügels aktuell entfernt, er war noch immer in der Operation, die zumindest wohl absolut nach Plan verlaufen würde.
Der Arzt und ich stützten Mama, die daraufhin einen Schwächeanfall bekam und fast zusammenklappte. Wir schafften es, sie immerhin auf die Bank zu setzen, auf der wir stundenlang gewartet hatten. Ich kam gar nicht dazu, ernsthaft zu verstehen, weil ich mich vor allem um Mama kümmerte, die völlig bleich war und einfach nicht mehr konnte. Ich versuchte zunächst, so wenig wie möglich über diese Schreckensnachricht nachzudenken, um für Mama da sein zu können. Wir saßen dort weit über eine Stunde, ohne, dass Mama ernsthaft etwas sagen oder machen konnte. Das ging so weit, dass neben dem Arzt noch zwei weitere Schwestern sich um meine Mutter, aber auch um mich kümmerten, wobei ich für diese Hilfe echt dankbar war. Sie beruhigten Mama vor allem, so gut es ging und der Arzt empfahl uns, nach Hause zu gehen und uns auszuruhen, da er noch nicht genau sagen wollte, ob Papa heute noch Gäste würde empfangen können. Spätestens morgen sollte er soweit wieder ansprechbar sein. Ich zwang Mama dazu, mir nach Hause zu folgen… Wir ließen uns ein Taxi zum Krankenhaus bestellen und fuhren damit nach Hause, da Mama so wackelig auf den Beinen war, dass sie jederzeit wieder zusammen knicken konnte… Zumindest befürchtete ich das.
Als Mama mit ihren besten und langjährigsten Freunden telefonierte und dabei bitterlich weinte, begann ich erst so langsam, zu verstehen, was die ganzen Aussagen bedeuteten. Ich saß in meinem Zimmer und konnte es einfach nicht fassen. Ich weinte durchweg und verstand einfach nicht: Warum er? Bestrafte ihn das Leben so heftig, weil er ein paar Jahre geraucht hatte? In den letzten Jahren war er richtig fit gewesen und erhielt sich dies mit vielem Sport, aber dass er so bestraft wurde… Er tat mir einfach so leid.
Ich ging nachmittags nach draußen, um ein bisschen frische Luft zu bekommen, während Mama sich versuchte, ein bisschen schlafen zu legen. Wir redeten davor recht kurz miteinander und versuchten uns die Welt schön zu reden, indem wir sagten, dass wir das zusammen schon schaffen würden. Irgendwie. Es würde schon gehen. Und Papa wird sicher noch lange da sein. Vielleicht hatten sich die Ärzte einfach geirrt? Vielleicht sollten wir uns eine zweite Meinung einholen von anderen Ärzten? Vielleicht hatte er es auch einfach mit dem Sport übertrieben und sein Körper hatte einfach Schluss gesagt? Vielleicht war es ja auch etwas ganz anderes als Krebs?
Ich lenkte mich draußen so gut es ging ab und verbrachte den Abend mit Mama, indem wir uns einfach mit Fernsehen und Telefonieren ablenkten. Am nächsten Morgen konnten wir zu Papa und er sah wirklich nicht gut aus. Der gestrige Tag hatte ihn spürbar altern lassen. Er tat mir so sehr leid, dass ich genauso wie Mama direkt anfangen musste, zu weinen. Er beruhigte uns mit seiner üblichen Art und stellte seine Krankheit als gar nicht so schlimm dar. Aber ich sah in seinem Gesicht, dass er sehr wohl verstanden hatte, dass er den Kampf gegen den Krebs vermutlich verloren hatte. Er versuchte, für uns stark zu sein.
In den nächsten Tagen war ich jeden Tag nach der Schule bei Papa, da er mich dazu zwang, weiter normal zur Schule zu gehen, obwohl ich am liebsten den ganzen Tag bei ihm gewesen wäre. Mama nahm sich einiges an Urlaub, teilweise auch schon vom nächsten Jahr, um jeden Tag bei Papa sein zu können. Ich wusste, dass er die Hoffnung auf eine Heilung nicht aufgab, aber die Bestrahlung und Chemotherapie, die er erhielt, um sein Leben mindestens noch zu verlängern, setzte ihm direkt schwer zu. In den folgenden zwei Wochen ging es ihm von Tag zu Tag immer schlechter und er wirkte immer schwächer, auch wenn er es weiterhin mit seinen üblichen Scherzen zu überspielen versuchte. Da er so schwach war, musste er weiterhin im Krankenhaus bleiben, was für uns alle natürlich anstrengend war. Für Papa war das bestimmt fürchterlich, weil er nicht in seiner vertrauten Umgebung sein konnte.
Mama sagte mir, als wir spät abends an einem Tag zu Hause waren, dass sie nicht wissen würde, wie es ohne Papa weitergehen sollte. Sie waren schon seit so vielen Jahren zusammen und es zerriss ihr das Herz. Für sie war es definitiv noch zehn Mal schlimmer als für mich, weil sie ihren geliebten Menschen verlieren würde. Außerdem erzählte sie mir, dass Papa ihr mit all den Formalien, die bald auf sie zukommen würde, wohl gut geholfen habe, obwohl es ihm schon nicht so ging. Ich hatte Papa so unendlich lieb, weil er trotz seiner Situation sich so viel Mühe gab, für uns da zu sein.
Papa hatte neben uns viele seine langjährigsten Freunde und Familie zu Besuch, was ihm definitiv sehr viel Freude gab. Sie kamen auch vergleichsweise oft, sodass immer jemand anders da war, wenn wir wie jeden Tag bei ihm vorbeikamen. Die Chemotherapie und die Behandlung wurden auf seinen Wunsch und auf Anraten der Ärzte nach weniger als zwei Wochen eingestellt, weil es ihm zu viel Energie kostete und offenbar, weil der Krebs noch viel schlimmer ausgebreitet war, als sich alle überhaupt hatten vorstellen können. Mama und ich verstanden einfach nicht, warum die Ärzte nicht bemerkt hatten, dass er offenbar noch einen weiteren Tumor besaß, der vor einigen Monaten schon hätte behandelt werden müssen? Wie konnte man so blind sein?
Je schlechter es Papa ging, desto schlechter ging es uns. Wenige Tage nach der Einstellung der Chemotherapie ging es ihm erneut sehr schlecht und er war so schwach, dass er nicht mehr sitzen konnte. Die Ärzte erlaubten uns, als sie ihn nachmittags untersuchten, so lange bei ihm an diesem Tag zu bleiben, wie wir wollten, da sie befürchteten, dass es an diesem Tag bereits zu Ende sein konnte. Ich war so fertig und fast den gesamten Tag über am Weinen, was dazu führte, dass mir der Kopf vor Schmerzen fast zersprang. Wir redeten an diesem Tag über alle wunderschönen Szenen, die wir gemeinsam erlebten, unsere gemeinsamen Urlaube, die wunderschönen Orte, die Mama und Papa gemeinsam besucht hatten. Mama war ohnegleichen tapfer an diesem Tag und zwang sich einerseits, möglichst wenig zu weinen, um so viel wie möglich von Papa noch in sich aufsaugen zu können, andererseits spürte ich, dass sie es Papa mit den langen, wunderschönen Erinnerungen so leicht wie möglich machen wollte… so leicht wie möglich machen wollte, einzuschlafen. Wir waren bis morgens um zwei Uhr da, und Papa sagte zu Mama: „Schatz… Du bist so eine tolle Frau, es hat keine Frau auf dieser Welt gegeben, die ich sexyer als dich fand. Bis heute nicht.“ Mama grinste, während sie unentwegt weinte. „Du bist die wundervollste Frau, die ich in meinem Leben kennen lernen durfte. Ich liebe dich so unendlich.“ Mama: „Ich dich auch, mein Großer. Ich dich auch.“ Papa: „Und du, Prinzessin… Du bist schon bald 18 und kannst so richtig die Welt unsicher machen, da wirst du mich alten Herren auch nicht mehr dafür brauchen…“ – „Ich werde dich immer brauchen, Papa.“ – „Sag das nicht, Sternchen. Mach erst dein Abitur und studiere was Ordentliches, damit du der Welt zeigen kannst, was in dir steckt.“ Er hustete. „Ich habe dich lieb, Papa.“ – „Ich dich auch.“ Er hustete erneut und schaute uns mit einem so liebevollen Blick an, den ich definitiv nie wieder in meinem Leben vergessen können würde. Er schloss seine Augen und sagte mit brüchiger, sanfter und absolut liebevoller Stimme: „Ich liebe dich über alles, Schatz… und dich natürlich auch, Engelchen… Ihr beiden Chaosmacher.“ So nannte er uns immer wieder, weil Mama und ich beide im Vergleich zu ihm ziemlich unordentlich waren. Er grinste ein letztes Mal und wir sagten fast gleichzeitig: „Wir lieben dich auch.“ Er antwortete mit einem Lächeln und schlief mit diesem Lächeln auf den Lippen friedlich ein.
Mama und ich verließen nach wenigen Minuten das Zimmer und ein Arzt stellte formell den Tod von Papa fest. Mama und ich gaben uns gegenseitig so viel Halt wie möglich, indem wir uns festhielten. Ich sagte: „Er ist mit einem Lächeln gegangen… Das hast du toll gemacht, Mama, dass du mit ihm heute über die tollen Erinnerungen gesprochen hast. Das war voll schön, auch, weil ich einiges von euch gar nicht wusste.“ Sie nickte nur und brach wie ich in Tränen aus, die auch nach einer Stunde nicht getrocknet waren… Die Tränen würden wohl nie trocknen.
Marc erzählt:
Nach dem großen Streit mit Janine fiel es mir tatsächlich leichter, einen gewissen Abstand zu ihr zu halten, auch wenn ich zunächst nicht so sicher war, ob ich die Freundschaft mit Janine wirklich einfach so wegwerfen wollte, weil diese so besonders war. Allein die gemeinsame körperliche und emotionale Nähe war wirklich besonders.
Aber nichtsdestotrotz änderte ich zunächst an unserem Verhältnis nichts, Janine aber auch nicht, sodass ich schon in der zweiten Woche des vollständigen Kontaktabbruchs feststellte, dass es womöglich die richtige Entscheidung war. Bestärkt wurde mein Eindruck auch noch dadurch, dass ich durch Julia mitbekam, dass Janine auch zu ihr ohne Vorwarnung den Kontakt abgebrochen hatte. Die beiden redeten zwar noch minimal mehr, als Janine es mit mir tat, aber die Freundschaft, die sich zwischen den beiden entwickelt hatte, baute sich momentan auch sehr schnell wieder ab, ohne, dass Julia explizit wusste, warum.
Julias Interesse an mir musste mittlerweile riesig sein, da sie mir nach zwei kompletten Wochen Kontaktabbruch mit Janine täglich nach der Schule schrieb und auch in der Schule konstant meine Nähe suchte. Ich genoss diese Nähe ohne Frage, auch wenn ich mir weiterhin nicht sicher war, ob ich mich Julia gegenüber noch mehr öffnen und es womöglich auf eine Beziehung ankommen lassen wollte. Tim meinte zu mir, dass ich doch nichts zu verlieren hatte, womit er natürlich schon Recht hatte. Aber ich wollte, ohne es böse zu meinen, nicht meine Zeit womöglich für jemand verschwenden, wenn ich den Eindruck hatte, dass die Beziehung nicht halten würde. Die Unterschiede von Julia und mir waren teilweise sehr groß. Allein, wie wir verschiedene Situationen und Probleme aus dem Alltag beurteilten und wie naiv sie doch in sehr vielen Sachen wirkte, störte mich doch ziemlich. Merkwürdig fand ich beispielsweise auch ihre Reaktion, als ich ihr irgendwann im Vertrauen erzählte, dass ich meine Eltern verloren hatte. Sie wirkte zwar geknickt und sprach mir Beileid aus, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass sie das wirklich ernst meinte. Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht so richtig zu Mitgefühl imstande war oder solches einfach anders als ich auffasste. Mir ging es auch nicht darum, dass sie sich jetzt nur noch um mich kümmern sollte, was sie abgesehen davon irgendwie versuchte, aber etwas mehr Feinfühligkeit hatte ich von ihr schon irgendwie erwartet. Allein diese Situation sorgte bei mir für eine ganze Menge Skepsis, ob ich mir ernsthaft was mit ihr vorstellen konnte. Na klar, ich fand sie ziemlich attraktiv, sodass ich gerne wesentlich mehr körperliche Nähe mit ihr hätte austauschen wollen, aber ich hatte von meinen Eltern moralische Werte vermittelt bekommen, dass man Menschen nicht ausnutzen sollte. Immer ließ sich das natürlich nicht vermeiden, aber wenn ich wusste, dass ich mich nur auf Julia einlassen würde, um mit ihr Sex haben zu können, hatte ich moralisch damit ein Problem, weil ich sie einfach dafür ausnutzen würde.
In der vierten Woche nach dem Streit mit Janine fragte mich Julia wieder, ob ich mit ihr was unternehmen wollen würde. Wir hatten uns bereits in den letzten zwei Wochen getroffen und unternahmen dabei einmal nach der Schule einen langen Spaziergang und ein anderes Mal ging ich mit ihr nach Hause, um mit ihr Hausaufgaben zu machen und noch ein paar Stunden Zeit zu verbringen. Ihre Eltern waren ganz in Ordnung und sie schienen mich auch direkt zu mögen, was definitiv positiv war. An dem Tag, als ich bei ihr zu Hause war, entstanden mehrfach Situationen, in denen es doch gewaltig knisterte, auch wenn ich mich gegen jede einzelne Situation sträubte und mich herauswindete, ohne es mir anmerken zu lassen. Julia fragte mich, ob wir am kommenden Samstag Zeit verbringen wollten und schlug vor, dass wir uns nachmittags ja treffen könnten, um gemeinsam abends ins Kino zu gehen. Ich stimmte ihrem Vorschlag zu und sie fragte mich noch etwas, mit dem ich nicht unbedingt gerechnet hatte – sie fragte, ob sie bei mir übernachten könnte, damit sie nicht so spät abends nach dem Kino nach Hause fahren müsste und so. Dass das nur ein Vorwand darstellte, war mir natürlich sofort klar – und ich wusste nicht, ob ich so eine Übernachtung wirklich wollte, da ich sie damit nur schwer wieder loswerden würde, ohne eine Freundschaft völlig zu zerstören, falls es mir spontan an diesem Abend zu viel sein sollte. Aber mir wurde langsam klar, dass eine Freundschaft mit Julia nur sehr schwierig möglich sein würde, wenn ich keinen Bock auf eine Beziehung hatte.
Ich stimmte der Übernachtung einfach zu, weil ich mich überraschen lassen wollte, wie es zwischen ihr und mir lief. Ich fragte Petra natürlich rechtzeitig vorher, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich jemand bei uns übernachten ließe und sie hatte wie erwartet nichts dagegen. Von ihr kam aber direkt die Rückfrage: „Oh, verstehst du dich denn mit Janine wieder besser? Übernachtet sie denn bei uns? Ich habe sie ja schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.“ – „Ich hatte dir das nicht erzählt… Ich habe mich ganz schlimm mit Janine gestritten, und seitdem reden wir fast gar nicht mehr miteinander.“ – „Oh weh, das klingt nicht gut. Wieso das?“ Ich dachte einige Sekunden darüber nach, ob ich ihr wirklich die volle Wahrheit erzählen sollte und entschied mich für einen Mittelweg: „Ich habe das Gefühl, dass Janine eifersüchtig ist, seitdem ich mit Julia, die hier Samstag übernachtet, mehr Zeit verbringe. Und ich bin mir sicher, dass Julia Interesse an mir hat.“ – „Und du?“ – „Weiß ich nicht so richtig. Die Übernachtung ist mir eigentlich nicht so ganz recht, weil ich glaube, dass eine Beziehung mit Julia nicht lange halten würde. Ich finde Julia freundschaftlich total toll und… Ja, sie ist auch echt attraktiv, aber … Ich glaube, das würde nicht so viel bringen.“ – „Wenn du die Übernachtung nicht willst, wieso hast du Julia das nicht gesagt?“ – „Ich wollte halt den Kontakt zwischen ihr und mir nicht kaputt machen, weil ich befürchte, dass sie extrem enttäuscht sein wird.“ – „Schau, Großer, das wird sie ob so oder so sein, falls du ihr irgendwann sagst, dass du nicht mehr von ihr willst.“ – „Stimmt auch wieder. Ach Mist, ich mag Julia halt echt gerne.“ Sie zuckte mit den Schultern und ich sagte: „Na ja, einmal schaue mir die Übernachtung mit Julia gerne an. Ich bin mir, was sie betrifft, einfach total unsicher. Aber vielleicht weiß ich ja nach der Übernachtung weiter.“ – „Das klingt doch ganz vernünftig. Du kannst ja die Bettsachen schon vorbereiten, dann musst du das nicht Samstag machen.“ – „Ja, mache ich.“
Wir waren vom Thema abgekommen, sodass Petra mich fragte: „Warum ist Janine nun eifersüchtig?“ – „Ach, ich wollte es Janine, glaube ich, einfach ein bisschen heimzahlen, seitdem sie mir gesagt hat, dass sie für mich nicht mehr empfindet… und Julia kam irgendwie ganz recht, auch, weil Janine mir vor einigen Wochen gesagt hat, dass Julia mich wohl interessant findet.“ – „Du revanchierst dich, obwohl Janine gar nichts Böses gemacht hat?“ Ich wusste gar nicht, was ich darauf sagen sollte – sie hatte Recht. „Erwischt“, meinte sie mit einem Grinsen. „Ich habe Janine einfach auflaufen lassen, als sie von Jonas‘ Feier gehen wollte und mich fragte, ob ich mitkommen würde. Ich habe einfach Julia gefragt und ihr spontan den Vorschlag gemacht, sie nach Hause zu bringen, während Janine alles mitbekommen hatte. Seitdem reden wir fast kein Wort mehr miteinander. Wir haben uns in der Schule heftig gestritten.“ – „Das war ja auch nicht unbedingt nett.“ – „Ich habe aber das Gefühl, dass bei Janine noch irgendetwas sein muss, sie redet mit Julia ja auch kein Wort mehr… Sie muss sehr eifersüchtig sein.“ – „Na ja, du hast jetzt viel Kontakt mit Julia, na klar findet das Janine nicht schön, so viel Zeit, wie ihr davor verbracht hattet.“ – „Ich weiß halt auch nicht, wie es so richtig weitergehen soll.“ – „Bist du immer noch in Janine verknallt?“ – „Nein, na ja… nicht mehr wirklich. Es ist nicht mehr wirklich schlimm. Ich mag sie halt trotzdem gerne, darum finde ich das schade.“ – „Versuche doch, demnächst einen Schritt auf sie zuzugehen, ohne, dass du Vorwürfe machst und ohne Julia vor allem. Vielleicht bekommt ihr einen Kontakt wieder hin.“ – „Das klingt vernünftig, aber ich befürchte, dass das nicht so einfach wird. Sauer oder enttäuscht von Janine bin ich halt weiterhin… Sauer vor allem, weil sie jetzt so heftig reagiert und sogar zu Julia den Kontakt abgebrochen hat, obwohl die beiden sich vorher super verstanden haben.“ – „Wenn du dich ein wenig beruhigt hast, kannst du ja schauen, ob du nicht einen Schritt auf sie zugehst, wenn sie dir im Innern doch wichtig sein sollte.“ – „Ja, das klingt gut. Danke schön.“ – „Du solltest aber nicht sauer auf Janine sein, weil sie den Kontakt zu Julia abgebrochen hat, das geht dich letztlich nichts an, selbst wenn du indirekt eine Rolle spielen solltest.“ – „Vermutlich hast du Recht, ja. Das wurmt mich einfach sehr.“ Ich war froh, dass ich Petra hatte, weil ich solche Gespräche zugegeben mit meinen Eltern nicht unbedingt geführt hätte. Am ehesten noch mit meinem Vater, der mich vor allem sehr gut aufbauen konnte. Aber er hatte auch nicht unbedingt immer die besten Ratschläge parat, in der Hinsicht war ich von Petra wirklich total erstaunt.
Julia kam wie abgemacht am kommenden Samstagnachmittag zunächst zu uns. Sie zog mich gleich von Beginn an wieder gewaltig an, da sie ziemlich freizügig war und einfach total attraktiv war… Sie war zum ersten Mal bei mir und fühlte sich direkt wohl, wie ich bemerkte. Den Nachmittag verbrachten wir vor allem damit, dass sie sich in meinem Zimmer umschaute und wir über Gott und die Welt quatschten. Ich spürte natürlich auch wieder, dass sie bewusst meine Nähe suchte. Dieses Mal hingegen bemühte sie sich, mich ständig durch Zufall oder aus einer Bewegung heraus zu berühren, sodass sich oftmals unsere Hände oder Arme berührten. Auch auf diese Nähe ging ich nicht besonders ein, weil mir mein Bauchgefühl auch weiterhin sagte, dass ich eine gewisse Distanz wahren wollte. Während sie sich meine Sachen anschaute, fand sie plötzlich auch die Schneekugel von Janine. Kaum, dass sie mich darauf ansprach, von wem diese stammte, zwickte es wieder unangenehm in meinem Innern, weil sie mich wieder daran erinnerte. Ich sagte ihr ehrlich: „Die hat Janine mir vor ein paar Monaten aus ihrem Urlaub mitgebracht.“ – „War Janine oft hier?“ – „Ein paar Mal, ja.“ – „Wie gut habt ihr euch wirklich verstanden?“ – „Auf was zielst du mit der Frage ab?“ – „Warst du in sie verknallt? Oder sie in dich?“ Ich hatte schwer zu schlucken, weil ich ihr auf diese Frage am liebsten gar keine Antwort gegeben hätte. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Sie war definitiv nicht in mich verknallt. Ich weiß nicht, wie viel ich für sie genau empfand. Auf jeden Fall haben wir uns echt gut verstanden.“ Das entsprach zwar nicht vollends der Wahrheit, aber mit dieser Antwort konnte ich wenigstens leben, weil es in Ansätzen auch stimmte, dass ich nicht genau wusste, wie viel ich noch für Janine empfand. Sie stellte die Kugel wieder in das Regal zurück und ich war froh, dass sie vom Thema ablenkte, indem sie noch einige andere interessante Sachen in meinem Zimmer fand.
Die Zeit bis zum Kino verging viel zu langsam, sodass ich echt froh war, als wir uns langsam auf den Weg zum Kino machten. Vor allem stellte ich halt fest, dass ich irgendwann nicht mehr wusste, über was ich mit Julia sprechen sollte. Ihre Familie war soweit intakt, sie hatte einen kleineren Bruder, der ganz knuffig war. Freunde hatte sie relativ viele, auch wenn sie mit vielen einfach nur locker befreundet war. Gemeinsame Hobbys hatten wir nicht so richtig viele, zumal ich den Eindruck hatte, dass eines ihrer größten Hobbys das hübsch machen darstellte, was mich insgesamt eher verschreckte als anzog. Ich hatte sie bei den letzten Treffen schon viel zu ihren Hobbys ausgefragt und musste an diesem Nachmittag einfach feststellen, dass ich mit ihr über das, was im Alltag so bei uns passierte, nicht so richtig und wenn, nicht besonders ausführlich sprechen konnte. Mit Janine war das auf jeden Fall deutlich leichter und passierte ganz automatisch, weil wir einfach immer Dinge sahen oder erlebten, über die wir uns direkt intensiv austauschten…
Im Kino schlug sie vor, ob wir nicht eine Pärchenbank buchen wollten – ich stimmte ihr zuliebe zu, auch wenn sie mir dadurch die ganze Zeit noch mehr auf der Pelle hockte. Der Film, den wir schauten, war wirklich witzig, was meine Stimmung, die zwischenzeitlich ganz schön tief abgesunken war, wenigstens deutlich hob. Nach dem Kino machten wir noch einen längeren Spaziergang, obwohl es draußen wirklich ziemlich kalt war. Es war ein sternenklarer Himmel und wir redeten zunächst nicht wirklich viel, bis Julia mich fragte: „Hattest du eigentlich schon eine Freundin?“ – „Nein, bisher nicht. Es hat sich bisher noch nicht so richtig ergeben. Wie ist es bei dir mit Freunden?“ – „Ich war bisher mit zweien zusammen, aber nie so richtig lange. Und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass beide eigentlich nur mit mir schlafen wollten.“ Wunderte sie das ernsthaft, so, wie sie teilweise herumlief?
„Wie lang warst du mit den beiden jeweils zusammen?“ – „Nicht mehr als zwei, drei Monate.“ – „Hast du denn mit den beiden geschlafen?“ – „Nein, mit beiden nicht.“ Ui, da war ich erstaunt. „Aber sie wollten mit dir?“ – „Ja, einer sogar sehr deutlich und sehr schnell, obwohl ich ihn kaum bisher kannte.“ – „Sprich, du hast bisher auch mit niemandem geschlafen?“ – „Das habe ich nicht gesagt.“ Sie schmunzelte etwas und ich schaute sie neugierig an, während sie meinte: „Ich hatte trotzdem schon mit jemandem Sex. Aber das war auch nur drei Mal… auch wenn es richtig gut war.“ Mir blieb etwas die Sprache weg, weil sie mit 16 oder womöglich noch jünger offenbar schon One-Night-Stands gehabt haben musste. Wir schwiegen einige Zeit lang wieder mehr, als dass wir etwas sagten und kamen bei mir zu Hause an.
Wir machten uns direkt bettfertig und Julia fragte mich beiläufig, ob sie denn neben mir auf meinem Bett schlafen dürfe, was ich natürlich bejahte. Als wir uns auf meinem Bett breit machten und entspannten, sagte sie, dass ich meine Augen schließen sollte. Ich lag auf dem Rücken, fühlte mich dabei nicht ganz wohl und tat dies – allerdings nur fast vollständig, sodass ich zu einem ganz kleinen Schlitz noch sah, was um mich herum passierte. Ich spürte, wie Julia sich einfach äußerst mutig auf mich drauflegte. Ihr Körper so zu spüren war… geil und machte mich auch direkt an. „Na, wie findest du das?“, fragte sie mich plötzlich und ich sagte ihr: „Das ist echt angenehm…“ Es war angenehm und unangenehm zugleich. Angenehm, weil sie attraktiv war – unangenehm, weil mir das alles viel zu schnell ging, dafür, dass ich mit ihr nicht zusammen war, geschweige denn, wir uns noch nicht geküsst hatten. „Lass deine Augen geschlossen“, ermahnte sie mich, was ich auch weiterhin nicht tat. Sie schien es aber auch nicht bemerkt zu haben. Ich spürte, wie sie mir durchs Gesicht strich und sah, wie sie mit ihrem Gesicht meinem immer näher kam… Als sie mir einen Wangenkuss gab und mit ihren Fingern ganz vorsichtig über meine Lippen strich, wusste ich, was sie nun vorhatte. Gerade, als sie mir einen Kuss geben wollte, sagte ich zu ihr: „Du, ich weiß nicht, ob… dass eine so gute Idee gerade ist.“ – „Ist es nicht?“ Ich schob sie vorsichtig von mir herunter und richtete mich auf. Ihr Blick war äußerst giftig – ich hatte solch einen Blick schon mal gesehen, als sie jemandem in der Schule ziemlich verfluchte. „Warum wolltest du nicht?“ – „Einen Kuss?“ – „Ja, zum Beispiel. Oder vielleicht auch mehr?!“ – „Weil ich einfach nicht weiß… was ich für dich empfinde. Deswegen wäre das keine so gute Idee, schätze ich.“ – „Was denkst du denn über mich?“ – „Bisher bist du einfach für mich eine tolle Freundin, sorry. Ich mag dich einfach total gerne. Ich weiß nicht, ob mehr zwischen uns beiden funktionieren würde.“ – „Na klasse… und wieso gibst du mir seit Wochen das Gefühl, dass du mehr von mir willst?“ – „Das tut mir leid, wenn du diesen Eindruck hattest. Ich wollte einfach die ganze Zeit herausfinden, wie sehr ich dich wirklich mag.“ – „Du bist doch hundertprozentig in Janine verknallt!“ – „Was hat das denn jetzt damit zu tun?“ – „Ich bemerke das doch. So viel, wie du über deinen Streit mit ihr gesprochen hast… Wie du reagierst, wenn auch nur ihr Name in irgendeinem Zusammenhang fällt.“ – „Dass ich bei diesem Thema empfindlich bin, ist nach dem Streit auch kein Wunder? Und selbst, wenn es so wäre… Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr, also hat das hiermit doch gar nichts zu tun. Ich finde dich wirklich toll.“ – „Gib es doch einfach zu, dass ich deine Ablenkung bin. Wenn nicht Janine, bin ich der Ersatz.“ Ich schüttelte den Kopf und wollte etwas erwidern, aber sie sagte schneller: „Sei mir nicht böse, aber ich fahre jetzt nach Hause.“ – „Oh, bist du sicher? Um die Uhrzeit?“ – „Ja, ich bin mir sicher. Wenn du kein echtes Interesse an mir hast, obwohl ich das die ganze Zeit gehofft habe, brauche ich auch nicht bei dir zu übernachten.“ Sie sammelte ziemlich zügig ihre paar wenigen Sachen ein und zog sich im Bad um, woraufhin sie die Wohnung verließ und mir nur ein kurzes „Tschüss“ entgegenbrachte. Tja, Marc, du hattest wieder eine große Gelegenheit vergeigt, mit einem total attraktiven Mädchen tolle Erfahrungen zu sammeln. Was für ein Frauenheld!
Ich war froh, dass Petra an diesem Abend glücklicherweise mit ihren engsten Freunden um die Häuser zog, sodass sie diese ganze Szene nicht mitbekommen musste. Einen anderen Vorteil hatte das an sich auch: Sie musste Julia somit gar nicht mehr kennen lernen, das Thema durfte sich erledigt haben. Ich war, nachdem Julia ging, noch eine ganze Weile lang wach und dachte über das alles nach. Speziell der Vorwurf, dass ich ja weiterhin an Janine hängen würde, beschäftigte mich lange. Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass Julia damit Unrecht hatte. Natürlich war ich enttäuscht, wie sehr das mit Janine schiefgelaufen war, aber gleichwohl war ich auch weiterhin ziemlich wütend auf Janine und nun nach der Geschichte mit Julia sogar froh, dass ich jetzt vor beiden einfach meine Ruhe hatte.
In der nächsten Woche bekam ich von Julia schon eine grobe Ignoranz zu spüren, auch wenn wir uns zumindest grüßten, wenn wir uns morgens sahen und zumindest einige wenige Worte wechselten. Der Kontakt war eben sehr vorsichtig und mir wurde klar, dass ich aktuell einen engeren Kontakt zu ihr nicht mehr forcieren würde, da sie sich aktuell als mögliche Freundin einfach disqualifiziert hatte.
Auch wenn ich nur noch Tim als wirklich treuen Freund hatte, war ich in der Klasse recht gut integriert, sodass ich zumindest über diesen Weg noch hier und da regelmäßiger Leute würde sehen können, indem ich zum Beispiel auf die zahlreichen Partys gehen würde, zu denen ich regelmäßig eingeladen wurde. Von daher störte es mich nicht, dass mein Leben recht einsam von außen wirken musste – ich fühlte mich zumindest ganz wohl damit.