Kapitel 9

Spontanität

In den Tagen bis Janines Geburtstag kaufte ich ihr ein kleines Geschenk, weil ich wirklich nicht wusste, was besonders gut zu ihr passen würde. Mein Geschenk bestand einerseits aus einem winzigen Teddy, den man auch in einer sehr kleinen Tasche gut verstecken konnte und andererseits aus einem kleinen Buch, in dem mit einigen niedlichen Bildern und wenigen Sätzen ausgedrückt wurde, wie sehr man die Verbindung mit dem oder der Beschenkten schätzen würde.

Am Donnerstagabend schrieb mir Janine die Frage, ob ich zukünftig auch mit ihr zusammen zur Schule fahren würde. Ich freute mich ziemlich darüber, sodass wir zukünftig gemeinsam zur Schule gingen und meistens auch gemeinsam wieder fuhren, sofern unser Stundenplan in dieser Hinsicht noch ähnlich blieb. Wir vereinbarten noch einen Bus, in dem Janine morgens immer sein wollte und machten noch aus, dass ich zur Schule fahren sollte, wenn sie in dem Bus danach auch nicht drin sein sollte. Das war morgens zeitlich alles recht entspannt möglich, aber ich war mir sicher, dass Janine in Sachen Pünktlichkeit keine Probleme haben oder machen würde.

Am nächsten Morgen nahm ich Janines kleine Geschenke mit und wartete an der Kreuzung auf sie, wo sie pünktlich wie abgemacht mit dem Bus ankam. Ich fand sie noch attraktiver als sonst, da sie sich wegen ihres Geburtstages richtig Mühe mit ihrem Aussehen gegeben hatte. Sie hatte sich stark geschminkt und neben ihrer Wimperntusche auch grünlichen Lidschatten aufgetragen, zusätzlich hatte sie Locken in ihren Haaren, was sie nur noch anziehender machte. Ihre hohen Absatzschuhe, die ihre gesamte Figur natürlich nur noch mehr betonten, überraschten mich, da man sie mit solchen Schuhen sonst nicht umherlaufen sah. Ich hatte noch eindrucksvoll in Erinnerung, wie sehr sie sich über einige Mädels aus der letzten Klasse ausließ, die in ihren Augen zu offenherzig umherliefen…

Wir umarmten uns und sie warf mich mit ihrer schwungvollen Umarmung fast um – ich wollte sie kaum loslassen, weil sie mich so sehr anzog. Ich beherrschte mich und gratulierte ihr. Direkt im Anschluss gab ich ihr die kleinen Geschenke, die ich von Petra am Abend zuvor hatte einpacken lassen, weil ich einfach völlig talentfrei war. Sie war völlig überrascht und machte die Sachen, als wir im Bahnhof auf die U-Bahn warteten, neugierig und vorsichtig auf. Ich sah, dass sie sich wirklich freute, was mich glücklich machte. „Das ist ja richtig süß!“ Sie umarmte mich erneut richtig fest und gab mir einen richtigen dicken Schmatzer auf die Wange. Wenige Sekunden danach entschuldigte sie sich direkt für den Schmatzer, weil ihr roter Lippenstift offenbar zu deutliche Spuren auf meiner Wange hinterlassen hatte… Mit ihrer Hilfe befreite sie mich davon aber auch wieder direkt.

Auf dem Hinweg zur Schule erzählte sie mir, was sie zum Geburtstag bekommen hatte: Neben einem großen Berg an neuer Kleidung wohl auch eine Reise übers Wochenende zu einem Ort, den Janine sich aussuchen durfte. Ich war schon ein wenig neidisch auf sie, auch wenn ich das nicht zeigte. Gleichwohl freute ich mich aber wirklich sehr für sie, weil ich einfach nach den Beschreibungen ihrer letzten Reise wusste, wie sehr sie das Reisen liebte. Janine wurde in der Klasse von sehr vielen direkt morgens vor der ersten Stunde gratuliert und wirklich geherzt, was ich ein Stück weit überraschend fand, aber Janine umso mehr aus dem Konzept brachte. Ich sah ihr an, dass sie damit gar nicht umzugehen wusste, aber sie schlug sich tapfer. Außerdem freute ich mich zusätzlich, weil zu sehen war, dass Janine mit der neuen Klasse menschlich und emotional endlich in der Schule angekommen war, auch wenn dies etwas über vier Jahre dauerte.

Dieser Freitag war insgesamt ziemlich anstrengend für mich, da ich noch bis etwa halb drei Informatikunterricht hatte – wer hatte sich eigentlich solche Zeitpunkte für Informatik ausgedacht? Janine hingegen ging schon um eins nach Hause, ich war erst um kurz nach 15 Uhr zu Hause. Ich erledigte noch einen Einkauf mit Petra, damit wir wieder für die nächsten zwei Wochen genug zu essen hatten, sodass ich völlig geschafft um halb fünf etwa ein bisschen zur Ruhe kommen konnte. Ich war so müde, dass ich so überhaupt keine Lust mehr auf Janines Feier am Abend hatte. Sie hatte eine Diskothek gewählt, die um 22 Uhr aufmachte, bei der Janine aber um 23 Uhr sich erst davor treffen wollte. Ich warnte sie schon vor, dass sie eventuell – wie ich – nicht hineinkommen würde, wenn die Türsteher bei unserem Alter pingelig sein würden oder dass wir ab Mitternacht eventuell die Disco wieder würden verlassen müssen, sie wollte das Risiko aber eingehen. Ich hatte von Klassenkameraden eben das Gerücht gehört, dass in vielen Clubs die Türsteher wohl sehr genau aufpassen würden, aber Janine interessierte sich für meine Warnung eher weniger. Zumindest hatte sie für diesen Fall noch einen Notplan, weil ein Klassenkamerad anbot, dass wir seine an diesem Wochenende sturmfreie Wohnung fluten durften.

Obwohl ich mittlerweile immer müder wurde, begann ich um kurz nach neun, mich fertig zu machen. Ich erinnerte kurz zuvor Petra, die wegen ihres Schichtdienstes vor dem Schlafen gehen war, dass ich nun mit Janine und ein paar Leuten aus der Klasse in eine Diskothek gehen würde, wo sie mich halt nur mahnte, vorsichtig zu sein und nicht zu viel Alkohol zu trinken. Ich war erstaunt, dass sie das dachte, sodass ich ihr sagte, dass ich bisher tatsächlich keinen einzigen Tropfen Alkohol getrunken hatte – was sie erstaunte. Außerdem sagte sie zu mir, dass ich Janine nach Hause bringen sollte, sofern ich konnte, um einfach als Gentlemen dastehen zu können. Ich fand ihre Gedanken teilweise witzig und schmunzelte letztlich mit ihr gemeinsam. Zusätzlich sagte ich ihr, dass ich damit rechnete, dass es sehr spät in die Nacht oder bis zum Morgen gehen konnte, wo sie mir entgegnete, dass ihr das natürlich schon klar war.

Dass ich bisher keinen Alkohol getrunken hatte, entstand hauptsächlich durch die Tatsache, dass ich eben die letzten Jahre mit Tim befreundet war. Ich hatte, als Tim mal noch ein Bier von einer seiner Feiern übrighatte, einen Schluck probiert, aber das Ganze gleich wieder sein lassen, weil es einfach überhaupt nicht schmeckte. Zusätzlich hatte ich teils gruselige Geschichten von ihm gehört, bei denen sich manche so sehr betranken, dass sie teils erst 24 Stunden später wieder ordentliche Erinnerungen hatten, was ich sehr übel fand. Ein anderer Grund, dass ich komplett auf Alkohol verzichtete, konnte auch damit zusammenhängen, dass vor einigen Jahren ein Onkel von mir verstarb, der neben Alkohol wohl auch Drogen konsumierte und sich unbewusst das Leben nahm, als er an einem Abend von beidem zu viel konsumiert hatte und am nächsten Morgen tot aufgefunden worden war. Ich hatte wenig Kontakt zu diesem Onkel gehabt und war damals noch sehr klein, aber ich hatte einige Details der Geschichte von meinem Vat… Stiefvater erfahren, da der Verstorbene sein Bruder war.

Um 22 Uhr fuhr ich los und kam pünktlich bei der Diskothek an. Ich stellte erleichtert fest, dass ich mit einem lockeren, ordentlichen Hemd und einer ganz normalen Jeans genau richtig angezogen war – ich hatte zu Hause eine Weile überlegt, was ich anziehen sollte. Nach und nach kamen die anderen dazu, Janine fast als Letzte. Ihr Gesicht zog mich genauso wie schon am Morgen an, aber ihr glitzerndes Oberteil inklusive des für ihre Verhältnisse gar nicht so kleinen Dekolletees sorgte dafür, dass ich definitiv geil wurde.

Wir betraten insgesamt zu acht die Diskothek. Neben Tim, Sabrina und mir waren noch jeweils zwei weitere Jungs und Mädels dabei. Die Türsteher ließen uns tatsächlich ohne Probleme durch und ich war froh, dass wir Jungs wie Tim dabeihatten, die sehr groß und erwachsen wirkten, sodass die Türsteher bei den Ausweisen gar nicht genau hinschauten, weil sie wahrscheinlich davon ausgingen, dass wir alle gleich alt und vor allem volljährig waren. Drinnen meinte Janine an der Garderobe zu mir: „Siehst du, ist alles gut gegangen!“ – „Ja, da haben wir echt Glück gehabt.“ Sie streckte mir nach einem Schmunzeln die Zunge raus und ging vor, während ich mit den anderen einige Momente später nachkam. Die Diskothek hatte drei Säle, die allesamt bisher kaum gefüllt waren. Die Stimmung unter den Gästen war daher noch sehr verhaltend, die Lautstärke aber bereits jetzt schon nah an der Schmerzgrenze und definitiv schon über der Wohlfühlschwelle. Ich erahnte schon, in welche Richtung sich die Geräuschkulisse noch bewegen sollte.

Wir verbrachten etwa ein Weilchen damit, Getränke für alle zu organisieren und Janine erhielt von den Mädels noch kleine Geschenke, die auch vom Wert her in die Richtung gingen wie die Dinge, die ich ihr schenkte. Die Jungs gaben Janine an der Bar was zu trinken aus und Janine erzählte fast jedem aus unserer Gruppe, aber vor allem den beiden jungen Frauen, dass ich ihr schon vormittags eben etwas geschenkt hatte, was vor allem diese auch niedlich fanden. Mir war das glatt etwas unangenehm, dass sie meine Geschenke so herum posaunte, weil ich eigentlich echt Sorge hatte, ob meine Geschenke nicht zu kindisch oder albern waren. Mir fiel einfach nichts Gescheites ein, obwohl ich Janine mittlerweile wirklich gut kannte. Aber so ganz schlüssig war ich mir immer noch nicht, für welche Themen, Dinge, Gegenstände, etc. sie sich genau interessierte, da musste ich noch mehr über sie herausfinden. Aber ich traf offenbar wirklich Janines Nerv mit den niedlichen Sachen.

Obwohl es schon laut war und der Floor auch langsam voller wurde, unterhielt ich mich mit einer der beiden jungen Frauen, Julia, ein paar Minuten lang. Die Themen waren völlig banal, aber ich verstand schnell, dass es bei dieser Lautstärke auch kaum als um etwas anderes gehen konnte. Zumindest stellte ich fest, dass ich Julia bei dem wenigen Licht, das es gab, auch durchaus attraktiv fand. Sie war mir zwar schon in der Klasse aufgefallen, weil ich sie als nett empfand, aber in der Schule, wo sie auf Schminke weitestgehend verzichtete, zog sie mich nicht so sehr in den Bann. Ihr gesamtes Erscheinungsbild war toll, sie war extrem schlank, aber in der Schule blieb sie meist natürlich, was ich sehr wertschätzte. In der Schule hatte ich meist den Eindruck, dass sie eher nicht so meinem Typ von Frau entsprach, was nicht daran lag, dass sie sich in der Schule beispielsweise nicht oder wenig schminkte.

Als der Saal mittlerweile gut gefüllt war, standen alle auf und gingen zum Tanzen wenige Meter in Richtung Tanzfläche – na ja, fast alle, da ich sitzen blieb, was ich damit erklärte, dass ich ja gerade erst mein Getränk geholt hatte. Janine schaute ein wenig traurig, aber ich war mir nicht sicher, ob ich mir in dem dunklen Raum das nicht womöglich gar eingebildet hatte. Es kamen einfach so viele Faktoren zusammen, dass ich wahrlich überhaupt keine Lust mehr auf Bewegung hatte: Ich war vom Tag einfach schon unendlich müde und hätte locker schlafen gehen können, die Lautstärke war extrem, es war eher nicht mein Musikstil und tanzen konnte ich zu allem Überdruss auch nicht.

So kam es halt dazu, dass ich in dieser Nacht lange Zeit allein saß, bis sich die Gruppe mit neuen Getränken wieder in meine Richtung bewegte. Ich wurde von einem der Jungs gefragt, warum ich nicht mitgekommen war, sodass ich ihm ehrlich sagte, dass ich vom Tag einfach völlig fertig war und der Musikstil aktuell auch einfach nicht so meiner war. Dass ich vor allem gar nicht wusste, wie ich mich bewegen sollte, da ich einfach gar keine Ahnung davon hatte, verschwieg ich an dieser Stelle aber lieber. Janine fragte mich irgendwann: „Du willst wirklich nicht tanzen?“ – „Ne, ist schon ok. Ich bin auch einfach müde von heute, weil der Tag so anstrengend war. Ich genieße die Musik dafür umso mehr, auch wenn ich dazu nicht besonders abgehe.“ – „Na gut, nicht schlimm. Ist halt nur schade.“ – „Ein anderes Mal tanzen wir aber bestimmt.“ – „Versprochen?“ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, weil ich solche Versprechen bezüglich Dinge, die ich niemals machen wollte, einfach nicht geben wollte. Dementsprechend hätte ich mich selbst ohrfeigen können, dass ich ihr diesen Vorschlag, ohne vorher darüber nachzudenken, gemacht hatte. Ich zögerte einige Sekunden, sodass Janine mich fragend anschaute und ich ehrlich sagte: „Ja, versprochen.“

Sie gab mir einfach einen Kuss auf die Wange und fing wenige Minuten später bei der nächsten Runde an, mit einem der Jungs aus unserer Klasse sehr nah zu tanzen. Sie tanzten sich definitiv an und ich musste zugeben, dass er einen richtig coolen Tanzstil draufhatte. Ich bewunderte ihn dafür, denn ich konnte das definitiv nicht. Ich hatte zwar, so glaubte ich, ein gutes Rhythmusgefühl, aber ich hatte nicht, wie einige andere, diese Kontrolle über den eigenen Körper, bei mir wirkte das eher unbeholfen als elegant.

Dass Janine erst mit dem einen, dann auch noch mit dem anderen Klassenkameraden so nah tanzte, wurmte mich. Ich spürte, dass ich schon leicht eifersüchtig war und hätte am liebsten beide von ihr weggerissen, aber das hätte ich höchstens damit hinbekommen, indem ich mit ihr zusammen getanzt hätte… Zurück hielt ich mich natürlich auch deswegen, weil ich hier zu ihrer Geburtstagsfeier definitiv keine Szene machen wollte, zumal ich einfach überhaupt kein Recht auf eine solche Reaktion hatte, völlig egal, ob ich mit ihr zusammen war oder nicht. Selbst wenn man mit jemandem zusammen war, war an diesem gemeinsamen Tanzen und Spaß haben nichts Verwerfliches, die beiden kamen sich ja nicht intim nahe, sie tanzten einfach nur etwas näher beieinander.

Um zwei Uhr morgens, nachdem ich eine ganz schön lange Zeit herumgegessen und vereinzelt versteckt mit meinem Handy herumgespielt hatte, sagte Janine, dass sie nun nach Hause gehen müsse. Ihre Eltern hatten ihr für diesen Anlass erlaubt, bis zwei Uhr in der Diskothek zu bleiben, was ich enorm fair von ihnen fand. Meine Eltern hatten mir zwar auch sehr späte Uhrzeiten erlaubt, aber diese Freiheit, die ich jetzt durch Petra bekam, hätten sie niemals toleriert, solange ich noch nicht volljährig war. Die anderen sechs wollten noch in der Diskothek bleiben, sodass für mich klar war, dass ich mich Janine anschloss. Sie schaute überrascht und fragte mich: „Bist du sicher, dass du nicht noch bleiben willst? Vielleicht bekommst du noch Lust aufs Tanzen?“ – „Nein, ich bin wirklich ziemlich müde. Wenn es ok ist, bringe ich dich vorher noch sicher nach Hause.“ – „Willst du das wirklich, wenn du schon so müde bist? Das ist doch schon so spät und so bist du selbst noch viel später zu Hause.“ – „Das ist schon ok. Ich habe keine Uhrzeit, wann ich zu Hause sein soll, von daher kann ich dich ruhig noch begleiten, so fühle ich mich wohler.“ – „Du bist toll.“ Ich schaute sie verwundert an und sie meinte: „Du bist halt einfach echt toll, dass du das für mich noch extra machen willst.“ Ich lächelte sie einfach an, weil ich gar nicht wusste, was ich darauf noch sagen sollte. Wir verabschiedeten von uns den anderen und kamen raus an die frische Luft, die so früh am Morgen richtig kalt war. Auch wenn wir aktuell tagsüber noch ungewöhnlich hohe Temperaturen hatten, war es nachts dafür schon spürbar kälter, sodass man mindestens eine dünne Jacke gut gebrauchen konnte.

Ich war in den ersten zwei Minuten, die wir zur U-Bahn liefen, auch durch meine Müdigkeit recht still, was Janine unterbrach, indem sie schlagartig anfing, zu frieren. Ich war ziemlich überrascht und überlegte einen Moment hin und her, sodass ich fragte: „Möchtest du meine Strickjacke haben, bis du zu Hause bist?“ – „Nein, das geht schon… wirklich.“ Ich sagte erneut nichts weiter und dachte mir, dass ich einfach einige Sekunden vergehen lassen sollte. Kurz darauf: „Ist dir nicht auch zu kalt?“ – „Nein, mir geht es gut. Willst du meine Jacke haben?“ – „Dir ist wirklich nicht zu kalt?“ – „Nein, ich kann auch ohne Jacke gehen, das passt schon. Vor allem sind wir doch gleich wieder in einer warmen Bahn, da kann ich mich ja notfalls aufwärmen.“ Sie hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich handelte einfach, zog meine Jacke aus und legte sie ihr um. Sie zog sich die Jacke richtig an, was niedlich an ihr aussah, gerade, weil die Jacke nur so halb passte. Die Jacke war einfach ein ganzes Stück zu groß.

„Warum bist du eigentlich nicht mit tanzen gekommen?“ – „Na ja, tanzen ist einfach nicht meins. Ich habe da nicht so richtig Spaß dabei.“ – „Ja, das hattest du ja letztens schon gesagt. Aber wieso macht es dir keinen Spaß? Du bist doch aber sonst auch gerne in Bewegung.“ – „Na ja, tanzen ist natürlich was anderes, als einfach nur draußen seine Zeit zu verbringen.“ – „Das stimmt schon. Mhm, schade… Aber du tanzt nächstes Mal auch wirklich, wenn wir wieder weggehen sollten?“ – „Ja, ich habe es dir versprochen. Wieso fragst du?“ – „Das hatte keinen bestimmten Grund. Ich war eben nur nicht sicher, ob wir vorhin wirklich darüber gesprochen hatten.“ Ich dachte einige Sekunden nach und fragte: „Hast du eigentlich irgendwas getrunken oder so?“ – „Nein, habe ich nicht. Ich habe nur einen Schluck von Sabrinas Cocktail genommen, aber sonst nichts weiter. Wieso fragst du?“ – „Ich wollte eigentlich nur einschätzen, ob du womöglich betrunken bist, sodass du dich nicht so richtig daran erinnern kannst, dass wir vorhin darüber gesprochen haben.“ – „Nein, betrunken bin ich nicht, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ – „Wer hat gesagt, dass ich das mache?“ – „Keiner, aber ich sehe es dir an und ich weiß, dass es so ist.“ Das war mir tatsächlich ein wenig peinlich, was sie bemerkte, sodass sie sich nur noch mehr darüber amüsierte: „Du sagst ja gar nichts mehr!“ – „Ich kann es nicht abstreiten: Ja, ich habe mir Sorgen gemacht. Ich bin halt so.“ – „Das weiß ich doch, ich find das süß.“ Sie gab mir einfach ohne Vorwarnung ein Kuss auf die Wange, was ich wie jedes Mal angenehm fand. Solche Aussagen und Verhalten wie mit dem Kuss machten meine Gefühlslage wieder nicht einfacher… „Deine Jacke hält richtig warm, die ist echt super.“ – „Das ist schön zu hören.“ – „Frierst du wirklich nicht?“ – „Nein, ich finde das gerade sogar ziemlich angenehm, nachdem es in der Disco so heiß war.“ – „Das stimmt, das war da irgendwann echt zu warm.“

Wir stiegen in die Bahn und saßen still nebeneinander. Janine meinte recht schnell zu mir: „Jetzt bin ich auch richtig müde.“ – „Das kommt jetzt, weil wir hier ruhig in der Bahn sitzen. Ein bisschen wirst du noch durchhalten müssen, bis wir bei dir sind. Wir können auch wieder aufstehen und stehen bleiben, bis wir aussteigen müssen.“ – „Nein, lass uns ruhig sitzen bleiben. Leider fahren wir noch ein ganzes Stück.“ Ehrlich gesagt hätte diese Fahrt noch ewig länger dauern dürfen, weil ich es einfach genoss, Zeit mit ihr zu verbringen.

Nach wenigen Minuten spürte ich plötzlich, wie Janine ihren Kopf auf meine Schulter parkte. Das hatte sie schon das ein ums andere Mal gemacht – ich machte mich locker und legte noch zusätzlich meinen Arm um sie, sodass sie sich in ihrem Halbschlaf noch so richtig intensiv an mich heran kuschelte und einfach innerhalb weniger Sekunden einschlief. Diese Szene war auch nicht unbedingt förderlich für meine Gefühlslage, weil meine Zuneigung für sie dadurch nur größer wurde… Da ich eben nicht wusste, was Janine in Gefühlsdingen wirklich von mir hielt, wollte ich sie auch nicht mit zu viel Interesse meinerseits konfrontieren, um unsere Freundschaft nicht womöglich kaputt zu machen. Aber spätestens in diesem Moment in der Bahn wurde mir klar, dass ich mehr als nur freundschaftliches Interesse an ihr hatte.

Ich zwang mich dazu, wach zu bleiben, um eben auf Janine und mich Acht geben zu können. Gleichzeitig genoss ich diese Nähe riesig, weil es sich so anfühlte, als wären Janine und ich ein Paar. Nach einer Viertelstunde weckte ich Janine vorsichtig, die ziemlich schlaftrunken war und beim Aufstehen leicht torkelte, sodass ich sie stützte, als wir ausstiegen. Ich ging mit ihr nach oben zur Bushaltestelle, die in der Nähe von meinem Zuhause war. Während wir warteten, wechselten wir ein paar Worte. Janine begann: „Tut mir leid, dass ich einfach in der U-Bahn gerade so weg geschlafen bin. Ich war auf einmal so müde, als wir uns hingesetzt haben.“ – „Das ist überhaupt nicht schlimm. Genau dafür war ich da.“ – „Danke, dass du mich begleitet hast.“ – „Gern geschehen.“ Sie gab mir wieder einen Kuss auf die Wange, kurz darauf stiegen wir in den Nachtbus.

Im Bus sah ich, wie sie sich regelrecht dazu zwang, nicht einzuschlafen – vielleicht, weil sie womöglich ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie sich wieder an mich heran gekuschelt hatte? Wir stiegen nach wenigen Minuten wieder aus und ich spürte mittlerweile auch ziemlich die Müdigkeit, was sich in einem intensiven Gähnen zeigte. Janine: „Du bist auch schon ziemlich müde, oder?“ – „Nicht ganz so schlimm, das geht schon.“ – „Wirklich?“ – „Ich spüre die Müdigkeit auf jeden Fall, aber das halte ich bis zu Hause schon aus. Ich kann morgen ausschlafen, das geht ja.“ – „Das macht mein schlechtes Gewissen jetzt auch nicht besser!“ Ich lächelte sanft und meinte: „Du brauchst dir kein schlechtes Gewissen zu machen, ich brauche auch nicht so lange bis nach Hause.“ Sie grummelte leicht vor sich hin.

Direkt vor ihrer Haustür meinte sie in einem liebevollen Ton: „Am liebsten würde ich dich jetzt einfach mit nach oben nehmen, damit du bei mir über Nacht bleiben kannst. Ich mache mir Sorgen, wenn du so müde nach Hause fährst!“ Diese Momente wollte ich ehrlich gesagt auch weiter voll auskosten, weil ich den Eindruck hatte, dass es heute zwischen uns knisterte. Allein, dass sie mir an diesem Tag locker fünf oder mehr Knutscher auf die Wange gab, empfand ich mittlerweile eigentlich nicht mehr als freundschaftlich… Mein größter Wunsch in diesem Moment war daher natürlich, einfach noch die Nacht mit ihr verbringen zu können. „Das ist schon okay, mach dir keinen Kopf. Wenn du willst, schreibe ich dir, wenn ich im Bus sitze und wenn ich zu Hause ankomme.“ – „Ja, das wäre toll. Pass auf dich auf.“ – „Mach ich.“

Sie umarmte mich lange, bestimmt eine Minute. Ich wollte sie nach etwa der Hälfte der Zeit vorsichtig loslassen, weil ich nicht wusste, ob sie womöglich wegen mir diese Umarmung so lange aufrechterhielt, aber kaum, dass ich das auch nur versuchte, griff Janine umso intensiver nach mir und drückte mich, sodass ich sie weiterhin festhielt. Janine flüsterte nach dieser langen Weile: „Danke, dass du heute mitgekommen bist und mich auch nach Hause gebracht hast.“ – „Gern geschehen. Für dich bin ich immer da.“ Sie ließ diesen Satz ein paar Sekunden sacken, während wir uns wohlgemerkt weiterhin umarmten. „Ich habe dich lieb, Marc.“ In meiner ersten Reaktion erwiderte ich, ohne nachzudenken: „Ich dich auch.“ Sie gab mir erneut einen Kuss auf die Wange, ließ mich los, blieb sehr nah vor mir stehen und schaute mich noch wenige Sekunden an. Als ich ihr in die Augen schaute, hatte ich für den kurzen Moment den Eindruck, als war es ein guter Zeitpunkt, sie vielleicht zu küssen… Janine machte jedoch eine winkende Geste und ich schaute ihr noch dabei zu, wie sie im Haus verschwand, während ich meinen kurzen Gedanken wieder vertrieb.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle spürte ich die Müdigkeit nun schlagartig immer mehr auf mich zukommen, sodass ich mich schon bei Laune hielt, um nicht halb im Laufen einzuschlafen. Zudem hatte ich noch mehr Pech: Ich sah aus der Entfernung den Nachtbus und rannte deswegen sogar, aber er übersah mich, womöglich gewollt, und fuhr an mir vorbei, sodass mir bewusstwurde: 60 Minuten warten oder laufen? Immerhin war ich durch das Rennen deutlich wacher als zuvor.

Janine erzählt:

Ich wollte Marc so spät nicht mehr nach Hause fahren lassen, hatte aber auch keine Lösung parat, weil ich meine Eltern natürlich nicht wecken und um Erlaubnis fragen wollte. Ich schloss leise die Wohnungstür auf und zog meine Schuhe aus, als ich feststellte, dass ich Marcs Jacke noch trug! Direkt nach meiner Erkenntnis erschreckte ich mich ziemlich, als meine Mutter plötzlich aus der Küche in den Flur kam und leise „Morgen“ meinte. Ich erwiderte das und fragte sie: „Warum bist du wach?“ – „Ach, ich konnte einfach nicht schlafen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, ob alles ok ist.“ – „Ja, es war alles in Ordnung, Marc hat mich hergebracht.“ – „Das ist sehr charmant von ihm. Wie war es denn?“ – „Es hat echt Spaß gemacht, die Neuen aus der Klasse sind echt locker. Das war richtig toll, auch wenn ich es schade fand, dass Marc nicht mitgetanzt hat.“ – „Warum das nicht?“ – „Tanzen liegt ihm wohl einfach nicht so.“ – „Es gibt einige Menschen, die nicht gerne tanzen.“ Sie schmunzelte leicht und ich sagte: „Ich fühle mich nicht wohl dabei, dass Marc jetzt gerade noch nach Hause fahren muss. Er war auch schon enorm müde.“ Ich sah, wie meine Mutter einige Sekunden nachdachte und sagte: „Du hättest ihn doch auch einfach hier übernachten lassen können, wenn wir das vorher gewusst hätten. Er hätte halt nur bei dir im Zimmer schlafen müssen.“ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, als mein Handy plötzlich leise klingelte. Ich schaute nach und sah eine Nachricht von Marc. Er schrieb, dass er den Nachtbus gerade verpasst hätte und jetzt wohl nach Hause laufen würde, weil er nicht auf den nächsten warten wollte. Ich schaute meine Mutter an und erzählte ihr, was Marc geschrieben hatte. Sie darauf: „Mensch, rufe ihn doch einfach an, ob er hierherkommt und hier übernachtet. So muss er die ganze Strecke nicht laufen.“ – „Danke Mama!“

Marc erzählt:

Ich entschied mich fürs Laufen, da ich damit wenigstens in Bewegung war und nicht Gefahr lief, einzuschlafen, wenn ich mich zum Beispiel im Wartehäuschen hingesetzt hätte. Kaum, dass ich loslief, schrieb ich Janine eine Nachricht, dass ich den Bus verpasst hatte und nun nach Hause lief. Ich hatte gerade die ersten Meter der ersten Station hinter mich gebracht, als mich Janine plötzlich anrief. Ich war perplex und ging ran: „Hey, was ist los?“ – „Bist du schon weit weg?“ – „Nein, nur ein paar Meter. Wieso fragst du?“ – „Willst du bei mir übernachten? So brauchst du jetzt nicht so weit nach Hause laufen. Du läufst doch bestimmt eine Dreiviertelstunde, wenn nicht noch mehr…“ – „Ich… äh… ich weiß nicht.“ – „Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Ich dachte halt nur, das wäre jetzt entspannter für dich und so.“ – „Das Angebot ist echt lieb. Ich … ich rufe dich gleich zurück, ok? Ich müsste zumindest Petra noch Bescheid geben.“ – „Ja, ok, bis gleich!“ Als ich auflegte, überlegte ich hin und her, was ich jetzt machte. Natürlich wollte ich sehr gerne bei ihr übernachten, einfach, um noch Zeit mit verbringen zu können. Gleichwohl ging ich davon aus, dass Petra aktuell schlief, sodass ich sie eigentlich nicht anrufen wollte, um sie zu fragen, ob mein Plan ok war. Mein schlechtes Gewissen plagte mich heftig, aber ich gab meinem Gefühl nach, sodass ich in Richtung Janines Wohnhaus ging und zumindest eine Nachricht schrieb, dass ich bei Janine übernachten würde, damit ich nicht nach Hause laufen musste, weil der Bus leider weg war.

Nach zwei Minuten bekam ich tatsächlich eine Antwort: „Ist ok, mach das, ich weiß Bescheid, das ist mir auch lieber, wenn du jetzt nicht noch die ganze Strecke nach Hause läufst. Auch mit so was hatte ich schon gerechnet. Benimm dich!“ Sie fügte an ihre Nachricht noch einen zwinkernden Smiley, was mein schlechtes Gewissen deutlich herunterschraubte. Ich rief Janine auf ihrem Handy an: „Hey, Petra war vermutlich gerade wach, ich konnte ihr Bescheid geben. Ich bin in zehn Minuten etwa bei euch.“ – „Ok, prima! Ich komme dir ein paar Meter die Straße entgegen.“ – „Das brauchst du wirklich nicht, ich bin doch gleich bei euch da.“ – „Nein, ich komme dir entgegen. Bis gleich.“ Sie legte ohne eine weitere Chance eines Widerspruchs auf, ich steckte mein Handy weg und gab wieder Acht auf meine Umgebung, gerade, weil auf den Straßen überhaupt nichts los war.

Ich lief die Strecke bis zur Haltestelle zurück und bog in Janines Straße ein, als ich schon sah, wie sie mir entgegenkam. Sie trug erneut ihre Absatzschuhe und ich spürte direkt wieder, wie attraktiv ich sie einfach fand. Sie meinte, als ich sie erreichte: „Glück gehabt, dass du noch nicht so weit weg warst.“ – „Hast du deine Eltern extra geweckt und sie gefragt?“ Das war auch einer der Gründe für mein großes schlechtes Gewissen. „Nein, habe ich nicht. Wirklich nicht. Meine Mutter war wach, als ich zu Hause ankam. Mein Vater weiß davon halt nur nichts, der schläft halt.“ – „Ich hoffe, das sorgt bei euch nicht für Chaos. Mir ist das echt unangenehm.“ – „Mach dir nicht so viele Gedanken, das ist überhaupt nicht schlimm. Meine Mutter hat es selbst angeboten, es ist doch alles prima. Du könntest mir nachher beim Bett machen zumindest helfen, das wäre toll.“ – „Na klar. Ich bleibe morgen auch nicht so lange, keine Sorge.“ – „Mach dir nicht so viele Gedanken! Wir schlafen ganz in Ruhe aus. Meine Eltern sind morgen Vormittag bestimmt nicht da.“ – „Ok, alles klar.“ Auch wenn ich das nicht so zeigen wollte, freute ich mich extrem.

Wir kamen bei ihr zu Hause an und ihre Mutter war, wie Janine schon sagte, noch wach. Sie kam auch in den Flur und wünschte mir einen guten Morgen. Ich wünschte ihr dies ebenfalls und fügte hinzu: „Ich hoffe, das ist kein Problem, dass ich so spontan jetzt noch hergekommen bin.“ – „Nein, überhaupt nicht, Marc. Es ist echt lieb, dass du Janine überhaupt noch bis hierher begleitet hast, danke. Da bin ich gleich auch etwas beruhigter.“ – „Kein Problem, gern geschehen.“ – „Ich gehe jetzt auch wieder schlafen, dein Bettzeug habe ich hier auf den Schrank gelegt. Gute Nacht, euch beiden.“ Janine antwortete: „Danke, Mama. Schlaf gut.“ Ich ergänzte: „Danke schön… und eine gute Nacht.“ Ihre Mutter ging leise in ihr Schlafzimmer und Janine nahm sich das Bettzeug. Es gab noch eine Frage, die mich beschäftigte. „Ähm…“ – „Ja?“ – „Wo… schlafe ich?“ Sie schmunzelte leise und flüsterte: „Na, was denkst du denn?“ Ich zuckte mit den Schultern und fühlte mich ein wenig peinlich berührt, worauf sie meinte: „Na, du übernachtest bei mir im Zimmer. Wo denn sonst?“ – „Ich… weiß nicht, ich wusste ja nicht, ob ihr ein Gästezimmer habt oder so.“ – „Das haben wir zwar, aber willst du dort wirklich übernachten?“ Sie schaute mir ein bisschen intensiver in die Augen und ich sagte: „Nein, nein, bei dir im Zimmer ist natürlich cool.“ Ich lächelte, um diesen peinlichen Moment zu überspielen, sie erwiderte es und nahm mich mit in ihr Zimmer. Sie sagte dort leise: „Außerdem kennen wir uns doch jetzt schon so gut, da habe ich nichts dagegen, wenn du neben mir schläfst. Oder stört es dich etwa, wenn ich neben dir liege?“ – „Nein, absolut nicht. Ich wusste halt nur nicht, ob das ok ist, auch wegen deiner Mutter und so.“ – „Die hat damit kein Problem, solange ich das ok finde. Außerdem schläft manchmal mein Vater nachts spontan im Gästezimmer, wenn er wieder nicht gut schlafen kann oder so. Nicht, dass er sich erschreckt, wenn er dich plötzlich dort liegen sieht.“ Wir grinsten und ich fragte sie: „Warum schläft dein Vater so schlecht?“ – „Er hat in letzter Zeit ständig Albträume und redet im Schlaf. Dadurch weckt er meine Mutter oft unabsichtlich und damit sie nicht so mitleidet, geht er manchmal von Anfang an oder spontan auch nachts ins Gästezimmer und schläft dort.“ – „Das klingt nicht gut.“ – „Ist es auch wirklich nicht. Magst du mir gerade helfen?“ Ich nahm ihr ein wenig Arbeit ab und bezog die Decke, während sie mein Kissen für die Nacht bezog.

Janine ging ins Bad und schminkte sich ab. Sie hatte außerdem ihren Schlafanzug angezogen, was an ihrer Attraktivität echt nichts änderte. Meinen etwas länger anhaltenden Blick bemerkte sie, sodass sie fast genervt fragte: „Ist was? Habe ich was an mir?“ – „Nein, nein, alles ok. Du schaust… einfach hübsch aus.“ – „In dieser Kleidung? So ganz ohne Schminke? Du willst mich doch wieder nur veralbern…“ – „Nein, ich meinte das schon ernst.“ Ich gab ihr auch mit meiner Tonlage zu verstehen, dass ich sie nicht verscheißern wollte. Nach wenigen für uns peinlichen Momenten sagte sie ehrlich: „Danke für das Kompliment.“ Wir lächelten, sie ergänzte: „Ich habe dir ein paar Sachen im Bad hingelegt.“ – „Danke.“ Ich machte mich frisch, so gut ich das mit den Dingen von Janine konnte und stellte fest, dass ich wohl oder übel mit meinem schwitzigen T-Shirt und meiner Jeans die Nacht über würde schlafen müssen – mir war das einfach unheimlich peinlich…

Wieder zurück in Janines Zimmer sah ich, wie sie auf ihrem Bett schon fast im Sitzen eingeschlafen war. Sie schreckte etwas hoch, was mir ziemlich leidtat, sie aber mit einem Schmunzeln hinnahm. Ich fragte sie: „Ist es ok, wenn ich mit meiner Kleidung von heute schlafe?“ – „Klar. Ich werfe den Bezug morgen einfach in die Wäsche, das ist nicht schlimm.“ – „Ok.“ Auch wenn ich mit Janine bereits (un)freiwillig eine Nacht zusammen verbracht hatte, war dieses Gefühl nun wesentlich anders. Ich war die ganze Zeit unheimlich nervös und meine Müdigkeit dadurch völlig weg, während es für Janine offenbar völlig normal wirkte. Sie meinte recht locker: „Husch, ab ins Bett!“ Ihrem Befehl kam ich nach, sodass ich mich auf meine Seite setzte und mich schon etwas zudeckte, während ich Janine anschaute, die am Lichtschalter ihres Zimmers stand und das Licht ausschaltete. Sie setzte sich auf ihre Seite und deckte sich zu, während ich sie fragte: „Hast du noch Lust, dass wir ein bisschen wach bleiben und quatschen?“ – „Ich falle schon fast um vor Müdigkeit… Wundere dich nicht, wenn ich einschlafe.“ – „Das ist nicht schlimm.“ Ich schmunzelte.

„Wie fandest du den Abend?“, fragte ich sie. „Der Abend war echt toll, auch, dass die anderen so gut drauf sind. Die Einladungen und Geschenke von euch allen waren lieb.“ – „Hat mein kleiner Teddy denn einen guten Platz gefunden?“ – „Natürlich!“ Sie gähnte. „Er hat einen Ehrenplatz auf meinem Schreibtisch, damit ich ihn regelmäßig sehe.“ – „Das ist schön.“ Wir schmunzelten etwas und ich schwieg einige Momente lang. Janine legte sich richtig hin.

Als wir kurz nichts mehr sagten, bekam ich den Eindruck, als würde sie schlafen. „Janine?“ Es kam nur noch ein müdes „Mhm?“, sodass ich meinte: „Träume was Süßes.“ Von ihrer Bettdecke aus kam nur noch ein „Du … auch.“ Direkt danach hörte ich an ihrem Atmen, dass sie schlief. Gerade, als ich mich selbst richtig hinlegte zum Schlafen, wühlte sich Janine in ihre Decke hinein und drehte sich dabei unbewusst direkt zu mir, wodurch sie ein gewisses Stück auf meiner Hälfte war und ich damit weniger Platz hatte, was mich in Anbetracht von Janines Anwesenheit aber ehrlich gesagt nicht störte. Mit Janine so nah bei mir schlief ich vermutlich auch innerhalb von einer Minute ein.

Am nächsten Vormittag erwachte ich, weil mich etwas kitzelte. Ich kratzte deswegen an meiner Schulter und wollte mich drehen, als ich plötzlich gegen etwas stieß: Janine! Ich öffnete vorsichtig meine Augen und sah Janine, die bereits auf war und neben mir saß. Ich stieß beim Drehen gegen ihre Füße, weil sie im Schneidersitz saß. Sie sagte in einem echt liebevollen Ton: „Na, Schlafmütze?“ – „Morgen!“ Ich schaute sie an und fragte sie: „Ist es schon spät?“ – „Es ist halb zwölf. Du hast mir bewiesen, du schläfst wirklich ewig lange.“ – „Ich bin noch nicht richtig wach und werde schon geärgert, menno.“ Ich zog mir als nicht ernst gemeinten Protest die Decke bis über den Kopf, worauf Janine laut lachen musste, mir die Decke schlagartig wegzog und mich zusätzlich auch noch kitzelte, wogegen ich mich durch die Überraschung anfangs nicht wehren konnte, später aber die Oberhand gewann und sie völlig durchkitzelte, während sie sich auf ihrem Bett vor Lachen hin und her wälzte.

Nach dem Rumalbern half ich Janine dabei, aufzustehen, indem ich sie hochzog. Ich folgte ihr in die Küche, wo ich ihr dabei half, ein Frühstück für uns vorzubereiten. Ihre Eltern waren in jedem Fall echt lieb, da sie für uns Brötchen aufgehoben hatten. Janine meinte während des Essens zu mir: „Boah, ich bin schon sehr lange nicht mehr so spät aufgestanden.“ Ich grinste und sagte nichts weiter, worauf sie hinzufügte: „Dass das bei dir noch nicht lange her, ist mir schon klar!“ Wir lachten und sie streckte mir ihre Zunge raus. „Du hast mir nachts ganz schön Platz weggenommen, ich bin ein paar Mal fast runtergerollt.“, sagte ich vorsichtig, aber nicht, ohne dabei zu grinsen. „Ich habe ja normalerweise auch das ganze Bett für mich!“ Sie fühlte sich schon wieder geärgert, sodass ich eine vielsagende Aussage hinterher schob: „Ich habe ja nicht gesagt, dass es mich gestört hat.“ Sie verzog ihre Augenbraue nach oben, sagte darauf aber nichts weiter. Ich flüchtete mich in mein Brötchen, weil ich den Eindruck hatte, dass Janine mit solchen Anspielungen nicht so recht klarkam. Das verstärkte mein Gefühl, dass Janine mich wirklich nur als besten Freund, aber nicht als richtigen Freund in Betracht zog.

Nach unserem Frühstück machte ich mich frisch und verabschiedete mich von Janine. „Danke, dass ich hier übernachten konnte.“ – „Jetzt hör auf, dich ständig zu bedanken!“ – „Ich wurde so erzogen.“ Ich zwinkerte dabei und sie umarmte mich wie in der Nacht schon unfassbar lang. Im Anschluss meinte ich zu ihr: „Was hältst du davon, wenn wir das nächsten Samstag wiederholen? Aber vielleicht von vorneherein mit Übernachtung?“ Ich war kurz verwirrt, da sie schmunzelte und kurz darauf sagte: „Du meinst, wir gehen wieder in die Diskothek und du tanzt mit mir?“ – „Ähm…“

Wir mussten ein paar Momente schmunzeln, anschließend entgegnete sie mir: „Ich habe schon verstanden, was du meinst. Keine Sorge. Das können wir machen, ja. Was wollen wir machen?“ – „Was hältst du davon, wenn wir einen Filmabend machen? Tagsüber könnten wir auch irgendwo raus gehen oder bummeln, wenn du möchtest. Ich habe ein Abo für Serien und Filme, da finden wir bestimmt was Passendes.“ – „Ja, das klingt gut! Wer bleibt bei wem?“ Ich zuckte mit den Schultern, darauf schlug sie vor: „Ich komme auch zu euch, wenn das ok ist.“ – „Klar. Ich sag Petra nur Bescheid, aber ich weiß, dass sie nichts dagegen hat… außerdem mag sie dich wirklich gern.“ – „Ich mag sie auch gern.“ Janine umarmte mich einfach ein zweites Mal. Ich freute mich total und verabschiedete mich endgültig von ihr. Zu Hause traf ich auf Petra, die wieder neugierig war… Ich erzählte ihr, dass Janine die spontane Übernachtung von sich aus vorgeschlagen hatte und ihre Eltern offenbar nichts dagegen hatten. Petra sagte, dass sie davon ausging, dass Janine mehr von mir wollen könnte, aber ich war schon verwirrt genug, zumal mir meine Eltern auch wieder im Kopf umher gingen, was nicht gerade dafür sorgte, dass ich konzentrierte Gedanken fassen konnte. Petra hatte nichts gegen die Übernachtung, auch, weil sie Samstagabend auf Arbeit sein würde, sodass ich mit Janine den Abend allein haben würde. Während ich versuchte, nicht zu sehr an das nahende Treffen zu denken, erinnerte mich Tim mehrfach daran, weil er mich damit aufzog, dass ich mein erstes richtiges Date mit Janine haben würde. Dass ich schon einige Treffen mit ihr hatte und auch zwei Übernachtungen mittlerweile, änderte an seiner Meinung nichts, weil es ihm nur darum ging, mich ein wenig aufzuziehen…